Grusswort

Reinhard Stuth, Kultursenator der Freien und Hansestadt Hamburg a.D.

Lieber Herr Pourkian,

sehr geehrte Mitglieder, Gäste und Freunde der Hafis Gesellschaft!

 

Es war für mich eine Ehre, als Sie, Herr Pourkian, mich vor kurzem ansprachen und fragten, ob ich hier ein paar Worte sagen kann. Aber wir beide haben ja durchaus schon einige Meilen zusammen hinter uns gebracht.

 

Erst einmal wünsche ich Ihnen allen ein glückliches neues Jahr und ein frohes Nowruz-Fest. Für mich persönlich ist dieses das vierte Neujahrsfest. Es begann mit Silvester. Danach folgte Anfang Januar das alt-russische Neujahrsfest, dann im Februar das chinesische Neujahrsfest - wir sind jetzt im Jahr des Wasserdrachens - und nun also das Nowruz-Fest.

Bis zum nächsten Neujahrsfest müssen wir nun ein bisschen warten. Am 17. September ist das Rosch ha-Schana-Fest der Juden.  Ich meine, um sich gute Vorsätze zu machen, kann es gar nicht genug Anlässe geben.

 

Kourosh Pourkian sprach zu Ihnen als jemand, für den Nowruz Teil seiner Kultur, seines Lebens und seiner Tradition ist. Ich spreche als jemand, der im Nowruz-Fest

eine andere Kultur, ein neues Fest, eine neue Tradition entdeckt hat. In diesem Sinn möchte ich einige kurze Gedanken zum Nowruz-Fest und auch zu Hafis formulieren. Es sind, darauf hat Herr Pourkian hingewiesen, viele Hamburger, die in diesen Tagen Nowruz feiern. Es sind waschechte Hamburger, aber mit Wurzeln in der Türkei, in Iran, in Kurdistan, in Afghanistan, auf dem Balkan, in Russland und andernorts. Damit kann ihr Fest auch unser Fest werden und sein. Die Deutschen haben eine uralte Gewohnheit, andere Traditionen und andere kulturelle Perspektiven zu übernehmen.

Eines der besten Beispiele ist unser eigener Kalender. Diesen Kalender haben wir uns nicht selber ausgedacht, sondern von den Römern übernommen. Und so kann ich mir vorstellen, dass unser Kalender diese kulturelle Anreicherung durch Nowruz durchaus vertragen kann. Nicht zufällig liegt Nowruz zusammen mit unserem Frühlingsanfang. Das, was wir seit wenigen Tagen spüren, das ist Nowruz:

Frühling, Neuanfang mit Licht und Freude.

Uns Deutschen kommt beim Stichwort Neuanfang immer Hermann Hesse in den Sinn: "Jedem neuem Anfang wohnt ein Zauber inne". Dieser Hesse-Satz hat den

Geist von Nowruz. Nowruz ist ein Fest des Lebens und ein Fest der Gemeinschaft. Damit ist Nowruz eben ein Fest für alle Völker und für alle Menschen. Insoweit ist es konsequent, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen vor kurzem das Nowruz-Fest als internationalen Feiertag anerkannte. Sozusagen 3.000 Jahre, nachdem es das erste Mal gefeiert wurde, haben nun auch die Vereinten Nationen Nowruz als Teil des Welterbes anerkannt. Das sollte uns ü b r i g e n s i n Hamburg besonders interessieren, denn wir haben ja mit drei Objekten selber Ambitionen, in die Welterbe Liste aufgenommen zu werden.

 

Bedeutsam ist: Nowruz ist ein weltliches Fest. Es ist kein religiöses Fest. Nach meiner Kenntnis sind die Baha‘i die einzige Religion, die diese Nowruz Fest in ihrem

religiösen Kalender hat. Weil Nowruz ein weltliches Fest ist, das nicht an eine bestimmte Nation gebunden ist, und weil es teilweise das Fest von nationalen Minderheiten ist, wurde dieses Fest in manchen Ländern in der Vergangenheit sogar verboten. Früher geschah dieses in der Türkei und in Syrien. Heute versucht der schiitische Klerus in Iran, das Nowruz-Fest in den Hintergrund zu drängen und zu behindern. Insoweit verstehe ich diese Feier, zu der Sie, Herr Kourosh Pourkian eingeladen haben, als ein klares Signal für die kulturelle Vielfalt, für Toleranz und für die Freiheit.

 

Als zweites will ich noch ein paar Bemerkungen zu Hafis anfügen.

 

Ich wünsche mir in Hamburg nicht nur mehr Geist von Nowruz, sondern auch mehr Hafis-Geist. Auch Hafis gehört allen - nicht nur, weil Goethe ihn im West-östlichen Divan verewigt hat, und er durch ihn inspiriert und geleitet wurde, und nicht nur wegen der wunderbaren Nachdichtung von Friedrich Rückert aus der Zeit  der Romantik. Vielmehr gehört er allen wegen seines Sinns für das Schöne, für das Gute, für das Wahre. Seine Themen sind zutiefst menschlich. Es geht um Liebe, um Trennung, Schönheit, Sehnsucht und es geht um Hafis‘ Aufforderung, das Leben zu genießen.

Übrigens bezog Hafis auch den guten Wein ein. Sein Geburtsort Schiraz gab immerhin einer guten Traube den Namen. Damit ist Hafis ein Denkmal dafür, dass der Islam viel mehr Vielfalt und viel mehr Toleranz kennt, als manche prägende Repräsentanten heute zeigen. Dadurch öffnet uns Hafis ein ganz großes Tor zu einem viel tieferen Verständnis des Irans, jenseits der Politik und jenseits dessen, was es uns heute im Iran tief besorgt.  

Wir können übrigens, wenn wir auf Iran blicken, nicht nur Hafis sehen. Wir sollen auch in der Gegenwart auf viele großartige iranische Filmemacher sehen, die in

Cannes, übrigens auch vor kurzem beim Hamburger Filmfest in den Mittelpunkt gerückt wurden. Auch Literaten und andere Künstler zeigen, wie breit die iranische

Kultur, wie breit die persische Kultur ist.

 

Abschließen möchte ich mit dem Appell, einmal nicht auf Rudyard Kipling zu hören, der sagte: "Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinander kommen."

 

Vielmehr möchte ich meinen letzten Satz Goethe überlassen: "Orient und Okzident, sie sind nicht mehr zu trennen."